Die Erfolgsgeschichte der osmanischen und türkischen Gastarbeiter

05.09.2020

Die Erfolgsgeschichte der Migration von Türken habe genau genommen nicht erst vor 60 Jahren begonnen, besagt eine Studie von Assoc. Prof. Dr. Mustafa Nail ALKAN aus Ankara von 2011, sondern bereits im Jahr 1907. 


Foto: BZ Berlin

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hätten sich um die 8.000 Türken aus dem Osmanischen Reich nach Deutschland aufgemacht,  die überwiegend in Tabakfabriken und in der Kriegsindustrie arbeiteten -  viele davon, um eine Berufsausbildung im Deutschen Reich zu erlernen und um später mit dieser Ausbildung im Osmanischen Reich zu arbeiten. 

Bis zur Unterzeichnung des deutsch-türkischen Abwerbeabkommens 1961 hätten lediglich 3000 studierende oder arbeitende Türken in Deutschland gelebt, so Alkan. Sie hätten jedoch nach ihrer Rückkehr in die Türkei den Kontakt zu Deutschland weiter gepflegt – durch die Gründung des Vereins für Akademiker mit Studienabschluss in Deutschland im Jahr 1991. 

Mit dem Abwerbeabkommen von 1961 startete die deutsch-türkische Erfolgsgeschichte der Migration 



Als am 13. August 1961 der Bau der Berliner Mauer begann, sei es eng mit Arbeitern aus dem Osten geworden – ein Grund, das Anwerbeabkommen mit der Türkei abzuschließen. Trotz der Flucht ostdeutscher Flüchtlinge zwischen 1949 und 1961 sei klar geworden: Mit dem Mauerbau würden ab sofort keine Arbeiter mehr in den Westen kommen, so Alkan.  

Mit dem Abwerbeabkommen und den ersten 2.500 Arbeitern startete die deutsch-türkische Erfolgsgeschichte der Migration. Bereits zehn Jahre später hatten 652.000 Türken Deutschland als ihre zweite Heimat gewählt. In den darauffolgenden zehn Jahren verdreifachte sich die Zahl der türkischen Migranten in Deutschland auf 1.546.000 und Ende der Neunziger Jahre überschritten die eingewanderten Türken die zwei Millionen-Marke. Alle lebten und arbeiteten nun mit ihren Familien in Deutschland. 

Rückgang der türkischen Migrationszahlen durch Einbürgerung 

Durch die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft von rund 950.000 Türken sei im Jahr 2011 die Zahl der türkischen Migranten auf 1.7 Millionen zurückgegangen, ergaben die Erhebungen von Prof. Dr. Alkan. Einbürgerungen fielen aus der Statistik automatisch heraus. Viele hätten sich entschieden, nicht mehr in die Türkei zurückzukehren und sich einbürgern zu lassen. 

In den 70er und noch in den 80er Jahren hätten die Türken eine deutsche Staatsbürgerschaft noch gar nicht angestrebt. Türken, die sich einbürgern ließen, wären in der türkischen Gesellschaft als negativ empfunden worden. Heute hätte sich dieses Bild völlig verändert. Sogar die türkische Regierung unter Präsident Erdoğan hätte sich für eine Einbürgerung von Türken ausgesprochen, die in Deutschland leben und arbeiten wollen – um ihre Rechte in der zweiten Heimat wahrnehmen zu können. 

Bereits zehn Jahre nach dem Abwerbeabkommen, hätte Deutschland festgestellt, dass die Gäste aus der Türkei nicht mehr daran denken würden, in die Heimat zurückzukehren. Die Familien seien nachgeholt und es sei eine langfristige Wohnsitzgründung in der Bundesrepublik geplant worden. 

Die wirtschaftliche Rezession im Jahre 1973 - aufgrund der Ölpreisexplosion – sei der Grund gewesen, weshalb der Bedarf an Arbeitskräften deutlich gesunken sei und die Bundesregierung im selben Jahr einen Anwerbestopp von Migranten veranlasste, ist in der Studie zu lesen. 

Erfolgreiche Unternehmer mit türkischem Migrationshintergrund sind in allen Branchen im Netz zu finden

Abdullah Altun aus Kayseri, Türkei, kam  1978 nach Deutschland und gründete 1999 in Duisburg die Altun Gleis- und Tiefbau GmbH. Die Firma arbeitet als Dienstleister in den Bereichen Gleisoberbau, Gleistiefbau und bietet Schweißtechniken auf internationaler Ebene an. 

Ragip Aydin, aus Istanbul, Türkei, gründete 1999 die Raynet GmbH in Paderborn. Die Raynet ist Dienstleister für Lösungen im Bereich Informationstechnologie und beschäftigte im Jahr 2016 100 Mitarbeiter in der Niederlassung Paderborn. Weitere Geschäftsstellen von Raynet: Deutschland, Niederlande, Großbritannien, Polen, USA. Auszeichnung beim Innovationswettbewerb top 100 im Juni 2016 der innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand. Das Unternehmen gibt jugendlichen mit Migrationshintergrund Chancen für eine gute Ausbildung. 

Niyazi Sevim, aus Hatay, Türkei, lebt seit 1971 in Deutschland. 1974 gründete er die MTS Metalll-Technologie Sevim, Detmold. Das Unternehmen stellt Schaltschränke, Schaltgehäuse und Schaltpulte aus Aluminium, Stahl und Edelstahl für die unterschiedlichsten Industriebranchen her. Für Niyazi Sevim ist das Thema Ausbildung wichtig. Er bietet jungen Menschen in seiner Firma Praktika zur Orientierung in verschiedenen Metallberufen an. 

Quelle: Aluminiumportal 

Ein aktuell berühmtes Ärztepaar darf unter den erfolgreichen Unternehmern nicht fehlen: 


 Foto: Sözcü

Uğur Şahin, Unternehmer von BioNTech, Mainz. Der deutsche Mediziner arbeitet seit 14 Jahren an der III. Medizinischen Klinik der Universität Mainz als Professor für experimentelle Onkologie. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Immunologie und die Krebsforschung. Er ist seit 2006 Professor für experimentelle Onkologie an der III. Medizinischen Klinik der Universität Mainz. Zusammen mit seiner Ehefrau Özlem Türeci, die ebenfalls Ärztin mit türkischen Wurzeln ist und als Privatdozentin an der Universität Mainz arbeitet, hat er zwei Firmen im Bereich der Biotechnologie gegründet. Die Entwicklung am Covid19-Impfstoff in der gemeinsamen Firma BioNTech machten die beiden deutschen Ärzte mit Migrationshintergrund aktuell weltbekannt. (Quelle: Wikipedia)

Die Firmengründungen von allen Migranten in Deutschland sind heute überdurchschnittlich


Foto: Azubis.de

Migranten in Deutschland hätten mehr Unternehmensgeist und seien überdurchschnittlich gründungsaktiv – so die Meinung der KfW über Unternehmensgründer mit Migrationshintergrund. 

Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW, erklärte in einer Pressemitteilung der KfW-Internetpräsenz, dass Migranten ein unverzichtbarer Teil des Gründungsgeschehens in Deutschland seien und ihre Selbständigenquote sei überdurchschnittlich. Das hätte zwei Gründe: Erstens sei der Unternehmergeist von Migranten stärker ausgeprägt. Zweitens würden sie sich aber auch häufiger aus Mangel an Jobalternativen selbstständig machen.

Nach Erhebungen der KfW im Jahr 2017 hätten Migrantinnen und Migranten einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Gründungsgeschehen in Deutschland geleistet. Sie stellten bei einem Bevölkerungsanteil von 18 Prozent einen Anteil von Gründern bei einem gesamten Bevölkerungsanteil von 21 Prozent (KfW-Durchschnitt 2013 bis 2017). 

Zwei hauptsächliche Gründe für die hohe Gründungsaktivität seien zum einen die stärkere Ausprägung des Wunsches, beruflich selbständig zu sein im Vergleich zur gesamten Bevölkerung in Deutschland, zum andern würden schlechtere Arbeitsmarktchancen und gute Jobalternativen angegeben.

Erstmals im Jahr 2018 zeigt eine Sonderauswertung des KfW-Gründungsmonitors, dass 38 Prozent der Migrantinnen und Migranten grundsätzlich eine Selbstständigkeit bevorzugen würden, während nur 29 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands lieber selbstständig wären. Der Unterschied läge darin, dass viele Migranten mit vielen erfolgreichen Vorbildern von Unternehmern ihres Landes und einer viel größeren Risikofreude geprägt seien. 

Auch Flüchtlinge in Deutschland zeigen Unternehmergeist 

Im Abschlussbericht einer Studie über Gründungspotenziale von Menschen mit ausländischen Wurzeln im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), sei auch der Wille zur Selbständigkeit unter denjenigen vorhanden, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland geflüchtet sind. 27 Prozent dieser Flüchtlinge hätten vor ihrer Flucht in ihrem Heimatland ein eigenes Unternehmen geführt. Bei syrischen Flüchtlingen sogar 32 Prozent. Das wäre für die Arbeitsmarktintegration durch eine längere Berufserfahrung eine gute Voraussetzung. 

Gute gesellschaftliche und wirtschaftliche Leistung der Migranten in Deutschland

Nach einer Studie der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung seien von Migranten in Deutschland bereits bis 2014 rund 1,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Unternehmer mit Migrationshintergrund würden einen großen Integrationsbeitrag für viele Migranten leisten. Sie hätten zudem eine wertvolle Brückenfunktion und würden Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln Ausbildungsplätze anbieten. 

Laut einer Veröffentlichung von Statista erwirtschaftete das türkische Logistikunternehmen mit dem Namen Netlog Logistics im Jahr 2016 rund 410 Millionen Euro Nettoumsatz und sei in der Statistik 2016 zum zweitgrößten Logistikunternehmen mit türkischem Besitzer aufgestiegen. 

Nach Aussagen der Wirtschaftswoche würden sich Immer mehr Personen mit türkischen Wurzeln in Deutschland selbständig machen. Dabei würde es sich nicht um die Eröffnung von Döner-Läden handeln, sondern um Selbständigkeiten als Top-Manager, um die Gründung von HighTech Unternehmen und um ein steigendes Bildungsniveau dieser Bevölkerungsgruppe. Immer mehr würden Abitur machen und die Tendenz sei steigend. 

Deutscher Export durch Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund steigend

Dank der Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund in Deutschland seien die deutschen Exporte gestiegen, berichtete MIGAZIN bereits 2018. Erhebungen von Destatis im Jahr 2019 ergaben, dass die Bundesrepublik insgesamt Waren im Wert von 1 327,6 Milliarden Euro exportierte. 

Bis 2020 soll es laut dem Zentrum für Türkeistudien in Deutschland 130 000 Selbständige mit türkischen Wurzeln geben. Im Schnitt würde in dieser Gruppe auch das Bildungsniveau steigen