Bloomberg Opinion: Macrons Rhetorik gegen die Türkei hat ihre Grenzen erreicht

Die verbalen Salven des französischen Führers haben durch Wiederholungen bereits ein gewisses "je ne sais quoi" verloren. Beim Treffen der Regierenden der so genannten MED7 - Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern und Malta - am Donnerstag auf Korsika, forderte Macron die europäischen Länder auf, "rote Linien" für die türkische Provokation zu schaffen.

Aber das haben wir alles schon einmal gehört. Tatsächlich behauptete Macron erst vor einigen Wochen, diese roten Linien bereits gezogen zu haben und prahlte damit, dass die Türkei nur Taten, aber keine Worte, respektieren würde. Aber seine bisherigen Taten - sei es die Teilnahme an Militärübungen in den unruhigen Gewässern oder die Ausrichtung von Gipfeltreffen - haben ihm in Ankara nur noch mehr Verachtung eingebracht.

Der türkische Außenminister, der nicht an scharfer Rhetorik spart, reagierte auf die jüngste Salve des französischen Präsidenten mit einer eigenen Interpretation: Macron solle aufhören zu versuchen, "Lektionen zu erteilen, indem er pedantisch mit seinen alten kolonialen Reflexen spricht". 

Die Türkei hat in der vergangenen Woche eigene Militärübungen in Nordzypern durchgeführt: Sie wurden "Mittelmeersturm" genannt.

Damit bleiben Macron zwei Optionen: zu handeln oder den Mund halten. Er kann weitere französische Kriegsschiffe in Gewässer schicken, in der es bereits von Marineaktivitäten wimmelt. (oh sie mal an,  die Russen sind auch aufgetaucht.) Es  ist jedoch schwer vorstellbar, dass dies Erdogan zwingen wird, seine Marine- und Forschungsschiffe zurückzurufen.

Frankreich kann nicht auf große militärische Unterstützung von NATO-Partnern gegen ein anderes Mitglied hoffen. 

Obwohl die USA ein seit langem bestehendes amerikanisches Embargo für Waffenverkäufe an Zypern gelockert haben, ist es unwahrscheinlich, dass sie härtere Maßnahmen gegen Erdogan, für den Präsident Donald Trump ein offenes Ohr hat, befürworten werden.

Macron kann mit seinen Tiraden gegen Erdogan weitermachen, aber diese haben bereits den Punkt überschritten, die besonders beeindrucken. Die Griechen und Zyprioten werden der französischen Solidaritätsbekundungen bald überdrüssig werden, und Ankara könnte es genießen, weitere Worte an Paris zu richten.

Und was ist mit Berlin? 

Deutschland hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne, und Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sich um eine Verhandlungslösung im Streit zwischen der Türkei und Griechenland. Obwohl die EU die Türkei vor möglichen Sanktionen gewarnt hat, scheint sie zögerlich zu sein, diese zu verhängen.

Es kann Merkel unmöglich passen, dass Macron während ihrer Friedensgespräche mit den Säbeln rasselt. Bundesaußenminister Heiko Maas hat deutlich gemacht, dass Militärübungen nicht hilfreich sind.

Trotz der Anwesenheit von sechs weiteren europäischen Staats- und Regierungschefs auf Korsika gehört Frankreich also allein zu den Großmächten, die sich der Türkei entgegenstellen wollen. Und Macron befindet sich in andere Krisen, die seine Aufmerksamkeit erfordern. Zu Hause in Frankreich nehmen die Fälle von Coronaviren alarmierende Ausmaße an, was an seinen falschen Umgang mit der Pandemie erinnert. Sein Konjunkturplan, der als "France Relaunch" bezeichnet wird und letzte Woche vorgestellt wurde, ist ein Glücksspiel von 100 Milliarden Euro (118 Milliarden Dollar).

Im Ausland gibt es noch andere Krisen zu bewältigen: Macrons Zusagen, die Libanesen vor ihren Politikern zu retten, werden in wenigen Monaten fällig, und der politische Umbruch in Mali stellt Frankreichs Antiterror-Ziele in der Sahelzone völlig in Frage. 

Seine andere Konfrontation mit Erdogan, bezüglich Libyen, läuft ebenfalls nicht gut.

Unter diesen Umständen wäre es klug, wenn der Präsident der Franzosen im Streit um das östliche Mittelmeer sein rhetorisches Feuer einstellen und das Gespräch dem Kanzler überlassen würde.