Der türkische Zusammenhalt

Gerade wieder in diesen Tagen kreisen meine Gedanken um das Wort Zusammenhalt.. Zusammenhalt eines ganzen Volkes.. was ist das? 



Bild: Anadolu Ajansı



Ich habe hier unter den deutschen Auswanderern schon sehr oft gehört ''Wir müssen doch zusammenhalten''... hm.. ja... und ich war erstaunt, wie unterschiedlich sich dieses Wort Zusammenhalt in verschiedenen Sprachen gestaltet... vor allem die deutsche Version im Vergleich zur türkischen. 

Ich meine hier den geistigen Zusammenhalt, wenn es um eine grosse Sache geht, wie damals in der Putschnacht oder jetzt bei der Militaeroperation in Afrin in Syrien, ich meine nicht den Zusammenhalt im Kleinen, den ''Grüppchenzusammenhalt'' , so etwas wie, wir Freunde gegen den Rest , wenn es um Freunde ging oder Familie und selbst da bemerkt man eine gewisse Distanz, die der Deutsche an sich hat, er ist einfach so, er kann nicht aus seiner Haut. Es fühlt sich im Höchstfall warm an, aber nicht heiss, nicht so wie wenn Türken füreinander einstehen. 

Vielleicht auch ein simples Beispiel... wenn ich alleine von der Türkei nach Deutschland fliege, dann treffe ich viele Menschen... auch Alleinreisende wie mich. Doch es ist immer wieder das Selbe.. ich komme zu 99 Prozent immer nur mit Türken ins Gespraech, einfach so, ob im Flughafen beim Warten oder neben mir als Sitznachbar . Beim letzten mal mit drei Frauen, die ihre Kinder wie ich in Deutschland besuchen. Türkische Frauen ohne ein Wort deutsch, die sich wie bekloppt freuten ,dass ich sie verstehe und mitreden konnte.. . Man gehört sofort dazu, man wird nicht mit einem Blick abgefertigt und schaut wieder in seine Zeitung Das kommt automatisch und es reicht ein kurzes Laecheln und schon wird drauflos erzaehlt. Nicht bei meinen Landleuten, ganz selten und wenn, dann vielleicht drei Saetze wie '' wohin geht es denn nach dem Aussteigen '' oder aehnliches, danach steckt der Deutsche gewöhnlich wieder die Nase in sein Buch oder Zeitung oder ins Handy. Wer behauptet, das stimmt nicht, der hatte echt Glück , denn in der Regel will der Deutsche seine Ruhe. 

Ich glaube im deutschen Sprachgebrauch gibt es kein einziges Wort, was ich finden könnte, um dieses Gefühl, welches gerade in der Türkei unter den Menschen zu spüren ist, beschreibt. Weil dem Deutschen auch diese Eigenschaft fehlt oder abtrainiert wurde und zwar ganz bewusst.

Und da ist der Knackpunkt – es kann keine Naehe entstehen, wenn man sich schon in kleinen Dingen abschottet, wie soll man dann als ein ganzes Volk so etwas wie geistigen Zusammenhalt haben? Zumindest in Faellen, in denen es notwendig ist. Die Deutschen sind sich doch schon untereinander fremd und auch nicht grün, wenn man sieht, dass es heute noch die Ausdrücke Ossi und Wessi gibt, fast 30 Jahre nach der Maueröffnung ist das Volk noch gespalten. Mir hat einmal eine aeltere Dame aus dem Osten gesagt, dass sich Bayern und Berliner nicht vertragen, sie würden nicht zusammenpassen. Woher nimmt sie so eine dumme Weisheit... sind wir nicht alle Deutsche? Sind wir, aber es lebt jeder auf seinem eigenen ''Planeten''. Genau wie das unsere Deutschen auch in der Türkei zumeist zu tun pflegen... genau wie auf Mallorca... man bleibt schön unter sich und trinkt mal einen zusammen....einer ist meistens der ''Geber'', der andere nimmt nur, das ist aber auch schon alles an Zusammenhalt, den ich sehe... die meisten sind sich sehr oft nur nach aussen hin so symphatisch. 

Mittlerweile habe ich gemerkt, dass ich wohl doch durch die Türkei völlig anders geworden bin. Ich meide solche Menschen bewusst, weil mir ihr ''Spirit'' nicht gut tut. Ich unterscheide heute viel mehr, als früher und auch wenn ich (nach aussen hin) heute warmherzige Menschen treffe, werden sie erst einmal durch meine Checkliste geschickt. Passt etwas nicht, meide ich sie , wo ich  nur kann. 

Den deutschen ''Volkszusammenhalt'' , den es gibt, den würde ich als sehr dürftig bezeichnen, wir sind völlig anders aufgewachsen nach dem 2. Weltkrieg, kaelter, distanzierter , man hat uns natürlich auch keinen Nationalstolz beibringen dürfen.  Was auch verstaendlich ist. Deshalb denke ich, wird sich das auch niemals aendern. Wir Deutschen haben verlernt, füreinander als Volk aufzustehen, wir Deutschen diskutieren, sachlich, ohne Emotionen, wenn es um politische Belange geht. Selbst die TV Nachrichten sind staubtrocken und völlig emotionslos und ich habe mich in Deutschland nie für Politik interessiert, allein deswegen. Vielleicht haben wir auch diese Gene überhaupt nicht und sind gar nich faehig zu einem so massiven ''Massenzusammenhalt'' wie die Türken ?

Gerade sitze ich vor dem türkischen Nachrichtenprogramm und sehe eine Reportage aus Deuschland. Überall türkische Fahnen , hunderte von türkischstaemmigen Bürgern , die in Deutschland ''ihren'' türkischen Soldaten in Afrin gedanklich beistehen und es mit solchen Veranstaltungen auf der Strasse ausdrücken... Im Interview zwei junge Frauen mit türkischer Flagge und vielen guten Wünschen , Gebeten für alle Soldaten , damit sie sicher wieder nach Hause kommen... Es gab auch einen Bericht, in dem die türkischen Mütter in Kilis an der türkisch-syrischen Grenze ''tonnenweise'' selbstgekochte Speisen für IHRE Soldaten mitgebracht hatten. Ich habe noch nie so viel Hingabe gesehen, wenn es um eine gemeinsame türkische Sache geht, wieviel Herzblut auch Frauen da hineinstecken und mitfiebern, damit ihre Maenner oder Söhne, Enkel, heil wieder nach Hause kommen....Es fehlt uns Deutschen diese Leidenschaft, ich denke das ist das Wort, das ich gesucht habe. Wir sind kalter Kaffee, die Türken dagegen heisser Mokka. 

Ich habe aber noch nie in Deutschland einen Aufmarsch von Deutschen mit der Nationalflagge gesehen, die an ihre Soldaten in Jordanien oder Syrien denken und ihnen so ihre Unterstützung zeigen wollen. Auch unsere deutschen Soldaten kaempfen im Ausland, auch am Hindukusch ..wie kommts? Warum schicken deutsche Frauen da nicht einmal selbstgemachtes Essen mit dem LKW dorthin?

Wenn die türkischen Soldaten im Einsatz sind, dann fiebert die ganze Bevölkerung mit, fast jede Familie hat irgendwo einen Verwandten oder guten Freund, dessen Söhne gerade Wehrdienst ableisten und die Angst, dass sie irgendwo in einem Terrorgebiet Dienst leisten müssen, ist immer da. Die Angst , dass ein junger Ehemann , dessen Frau vielleicht schwanger ist, irgendwo sterben könnte, berührt ein ganzes Volk und alle halten gedanklich zusammen und das mit einer Inbrunst und einem Stolz, der ihresgleichen sucht. Selbst als Auslaender , wenn man laenger im Land lebt und die Nachrichten versteht, verdrückt man schon mal eine oder mehrere Traenen, weil man das Gefühl hat, mitgerisssen zu werden, man fühlt mit, man weint mit – allerdings nur, wenn man einen Bezug zum Land hat und das geht auch nur, wenn man die Sprache versteht und einiges mehr.

Gerade auch in der Putschnacht 2016 habe ich ein sehr grosses Zusammenhaltsgefühl zwischen allen Türken gespürt, von dem auch ich mitgerissen wurde, selbst wenn sie nicht in der gleichen Partei waren und sich sonst die Köpfe eingehauen haben, hier waren sie sich einig.. Wenn es um sein Land geht, versteht der Türke keinen Spass. Wenn es um sein Land geht, dann weint er auch, wenns brennt wie beim Putschversuch Arm in Arm mit politisch anders Gesinnten und der Andere weint mit... Das war schon immer so und das wird sich auch nicht aendern. Und nicht nur Türken, auch die Kurden ( auch wenn das in Deutschland immer anders dargestellt wird) 





Die Frage warum der Deutsche anders ist, will ich gar nicht erörtern, denn ich glaube, wenn man ihn gelassen haette, dann würde er auch anders sein..diese Eigenschaft ist einfach verschüttet und dass man auch anders sein kann, weiss ich, ich wurde als Deutsche in der Türkei schon lange ''infiziert'' und ich finde die Eigenschaft des Türken, gemeinsam so eng als ganzes Volk zu denken und zu fühlen einfach nur liebenswert. 

Hier stimmt er noch, der Satz,

alle für Einen , Einer für Alle...


Foto: Screenshot Facebook